Es ist Samstagabend, kurz nach 19:30 Uhr und einer nach dem anderen trudelt beim Teenkreis ein. „Und wie war deine Woche bisher so?“ fragt jemand. „Geht so, musste eben viel für die Schule machen.“ antwortet die Gefragte. Das klingt nach einem ganz gewöhnlichen Einstieg in den Jugendabend der Stadtmission Mengen – bis auf ein paar klein Veränderungen.
Der Ort, an dem wir uns treffen, ist nicht der gemütliche Jugendraum in der Gemeinde, sondern ein Video-Chatroom im Internet, während jeder Teilnehmer zuhause vor seinem PC oder Handy sitzt. Darüber finden gerade alle Treffen der Jugendarbeit statt. Eine kleine Notiz erscheint auf meinem Bildschirm: Hanna möchte dem Chat beitreten. Ich habe die Wahl es zu erlauben, oder abzulehnen. Diese Art von „Türsteher-Funktion“ hatte ich in der Jugendarbeit bis jetzt auch noch nicht inne. Auch die Grüppchen, in denen sonst vor dem offiziellen Beginn geredet wird, gibt es heute nicht. Wenn jemand etwas sagen will, müssen alle zuhören, denn sobald zwei gleichzeitig reden, versteht man nichts mehr. Um nicht bei dem einen die Spülmaschine und beim anderen die
Musik aus dem Nebenzimmer im Hintergrund zu hören, beschließen wir, dass jeder sein Mikrofon ausschält, außer er möchte reden. Manchmal vergisst man es allerdings wieder einzuschalten, was zu witzigen Bildern führt, die wir sonst auch nicht aus dem Teenkreis kennen. Schließlich bewegt dort für gewöhnlich keiner seinen Mund, ohne dass man ihn hört. Auch erklingt dort selten eine Stimme, ohne das man die Person im Raum sieht. Doch in unserem Chatroom hört man immer mal wieder: „Du musst deine Kamera erst einschalten.“ Das Singen lassen wir heute ausfallen und für Snacks und Getränke muss jeder selbst sorgen. Wir lesen Kolosser 3,15-17 und das Bild, dass ich dazu vorbereitet habe, lege ich nicht wie sonst in die Mitte, sondern schalte meinen Bildschirm für alle Teilnehmer frei. Im Gespräch über die ganz praktische Umsetzung haben für gewöhnlich die Antworten einiges mit der Schule, ihren Freunden, Hobbies und Vereinen zu tun. Das ist jetzt anders. Der Fokus liegt jetzt stark darauf, wie man das Zuhause in der Familie leben kann, im Homeschooling und in den „Fernbeziehungen“, in denen viele jetzt selbst mit ihren Nachbarn leben.
„Ich finde es schwierig dankbar zu sein, wenn ich Zuhause den Stapel Aufgaben von der Schule sehe. Ich soll mir auf einmal alles selbst beibringen und jeden Tag wird es mehr!“ ist eine Meinung.
„Mit der Schule finde ich es gar nicht so schlimm, ich lerne lieber alleine. Aber ich will einfach mal abends mit meinen Freunden zusammen weggehen, oder mich mit meiner Freundin auf einen Kaffee treffen. Mir ist langweilig und es nervt, immer nur Zuhause zu sein.“ „Ja, vor allem meine kleinen Geschwister nerven. Und jetzt kann ich ihnen nicht mehr so leicht aus dem Weg gehen.“ Ich
vermisse es viel mehr, zum Training zu gehen mit meiner Gruppe. Jetzt soll ich allein daheim trainieren, dass macht doch keinen Spaß.“
„Also ich finde es ganz cool, dass man mal nicht mehr auf hundert Hochzeiten tanzen muss. Ich hab endlich mal wieder Zeit zu malen, dass habe ich früher immer gern gemacht.“.
Ich verstehe die unterschiedlichen Meinungen, denn in machen Dingen geht es mir ähnlich. Dass manche festen Termine entfallen, nimmt auch etwas von der Struktur meines Alltags. Allerdings öffnen sich dafür neue Zeitfenster, für die Büroaufgaben, oder Fachliteratur, die sonst manchmal liegen bleiben. Auch für manche Besprechungen vom Leitungskreis und EC habe ich gerade mehr den Kopf frei. Und das ich durch die online Sitzungen außerdem Fahrtgeld spare, macht meinem schwäbischen Herz Freude. Es gibt Freiraum, Konzepte neu zu überdenken und noch mal ganz bewusst ins Gebet zu gehen. Kontakte jedoch nur über Internet und Telefon zu halten, fällt mir an gewissen Tagen schwer. Aber ich spüre auch eine Veränderung in ihnen, denn wenn man jemand anruft, redet man anders, wie wenn man sich eben nach dem Gottesdienst noch kurz zusammenstellt. Da ich alleine lebe, erlebe ich gerade jetzt auch die Zeit mit Gott noch intensiver. Ich erzähle den Teens auch davon und wir überlegen gemeinsam Aspekte, für die wir dankbar sein können und welche Schlüssel uns der Bibeltext dazu verrät. Später werden wir noch ein Spiel spielen, was herausfordernd aber auch sehr witzig sein kann über den Chat. Aber zuerst wollen wir gemeinsam beten. Es tut so gut in einer Zeit, wo sich so vieles verändert, mit dem zu
reden, der einfach bleibt!